Sophie K.

Date of Birth:
01.04.1904, Augsburg
Deceased:
29.05.1944, Kaufbeuren-Irsee

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Biography

Biografie Sophie K.

Sofie K. aus Augsburg, Eberlestraße

Hier fragmentarische Kenntnisse über eine Frau namens Sofie aus Augsburg, zusammengetragen aus den Akten über sie in der ehemaligen Kreis-Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren-Irsee.
Sofie K., geborene U., wurde im April 1904 geboren, katholisch, das fünfte von elf Kindern ihrer Eltern. Mit 21 Jahren bekommt sie ein Kind. Drei Jahre später heiratet sie Johann K., von Beruf Gärtner, er arbeitet bei einem Textilunternehmen. Sie wohnen in der Eberle¬straße in Pfersee. Ende 1929 bekommt sie ein weiteres Kind.
Ihr Ehemann bringt sie am 23. November 1934 in die Psychiatrische Abteilung des Städtischen Krankenhauses Augsburg. Als Grund der Einlieferung wird „Häusliche Unruhe, sinnlose Handlungen“ notiert. Sie sei in letzter Zeit sonderbar geworden, nachts unruhig. Nach fünf Tagen wird sie nach Kaufbeuren verlegt, mit Einverständnis des Ehemannes. Diagnose: Schizophrenie.
Auf dem Foto, das dort von ihr gemacht wird, sieht man eine kräftige Frau mit vollem dunklem Haar. Sie wird von der Seite hell angeleuchtet. Ihr Gesichtsausdruck ist ernst, verschlossen, verängstigt, die Augen weit geöffnet und seitlich nach oben gerichtet. Vielleicht steht dort eine furchteinflößende Person, die sie überwacht.
Anfangs wird sie sorgfältig beobachtet und medikamentös behandelt entsprechend dem, was damals üblich ist. Parallel läuft ein standardisiertes Verfahren zur Sterilisierung. Medizinalrat Dr. Pfannmüller beantragt, die Patientin „unfruchtbar zu machen“. Der Antrag wird gestellt an das „Erbgesundheitsgericht Kempten gemäss Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“. Sofies Mann widerspricht dem Antrag, „weil die Unfruchtbarmachung den Zustand seiner Ehefrau ungünstig beeinflusse und die beiden Kinder seiner Frau gesund seien.“ Dazu stellt das Gericht fest: „Die Einwendungen des Ehemannes K. sind nicht stichhaltig.“
Sofies Mann erkundigt sich am 29. März 1935 brieflich, ob seine Frau bis Ostern entlassen werden könne, weil „acht Tage nach Ostern, Ihr erster Sohn zur Kommunion kommt, und ob daß Sterilisieren, schon gemacht ist.“
Aus den Eintragungen in der Krankenakte erhält man den Eindruck, dass jetzt der Gesundheitszustand bewusst geschönt wird. Sie wird am 7.4.1935 nach Hause entlassen. „Zustand bei der Entlassung: gebessert.“

Zweiter Aufenthalt: Sie wird knapp zwei Jahre später erneut aufgenommen, auf Veranlassung ihres Mannes. Die Gründe sind nicht dokumentiert, sie äußert auf Befragen, sie habe oft Streit mit ihm gehabt. Sie hat 20 kg zugenommen und klagt über Schmerzen an der Operationsnarbe.
Bis 1940 wird sie in Kaufbeuren zeitweise mit Bügeln, in der Gärtnerei oder Wäscherei beschäftigt. Sie unternimmt mehrere Fluchtversuche.
Im Oktober 1939 beginnt auf Bundesebene die so genannte Aktion T4, die staatlich geplante Massentötung von Kranken. Mit Runderlass vom 9. Oktober 1939 der Abteilung IV des Reichsministeriums des Innern wurden die Heil- und Pflegeanstalten zur Benennung von Patienten aufgefordert. In einem Merkblatt waren Kriterien angegeben, darunter als erstes die Schizophrenie. Offiziell wird die Aktion zwei Jahre später beendet, weil es relativ viel Unruhe und Proteste dagegen gibt. Tatsächlich läuft sie in Anstalten wie Irsee aber weiter.
Am 2.9.1940 wird Sofie K. nach Irsee verlegt. Fast vier Jahre verbringt sie dort, aber über diese Zeit gibt es nur neun Eintragungen in ihrer Krankenakte. Die erste lautet:
18.9.40: Verschrobene, verworrene Kranke; „weiss nicht, wo ich bin“.
Im April 1943 heißt es: Verworrene, in ihrem Affect sprunghaft wechselnde Kranke; häufig erregt, arbeitsunbrauchbar.
29.5.44: Exitus. Todesursache: Bronchopneumo-nie.
Diese Todesursache wurde durch Injektionen herbeigeführt, die Lunge verschleimte und es kam auf diese Weise zu einem anscheinend „natürlichen“ Tod durch Lungenentzündung.
Der Leichenschauschein wird von Dr. Gärtner ausgestellt. Er war Leiter der Nebenstelle Irsee, er erhängte sich am Tage des Einmarsches der Amerikaner in die Anstalt.
Dem Ehemann wird per Telegramm mitgeteilt: „Ehefrau †. Beerdigung 2. Juni 13 Uhr in Irsee.“ Das handschriftliche „gestorben“-Symbol hat die Form einer Todesrune.
Vier Monate später werden dem Ehemann die „Effekten“ seiner verstorbenen Frau zugestellt: „Inhalt der Schachtel: 1 Weste, 1 Pullover, 1 Schürze, 1 Paar Schuhe. Heil Hitler! I.A. (Unterschrift)“

Erstellt und gelesen von Dr. Michael Friedrichs.
2014