Augsburg, Schießgrabenstr, 16/I
Augsburg, Werderstraße 10
Augsburg-Göggingen, Römerweg 22
Augsburg
Alfred Rosenbusch wurde am 9.1.1887 in Augsburg geboren. Seine Eltern waren der Bankier Alfons Rosenbusch und dessen Ehefrau Johanna, geborene Neuberger, geboren in New York.1 Die Rosenbuschs waren alteingesessene Bankiers in Augsburg. Schon der Vater Alfons, der Onkel Berthold und der Großvater Salomon betrieben eine Privatbank in der Maximilianstraße.2 Alfons Rosenbusch war von 1892 bis 1899 Gemeindebevollmächtigter seiner Stadt und bekam den Titel Kommerzienrat verliehen.3 Die Bank Salomon Rosenbusch wurde gegründet 1852, als im Boom der Gründerzeit der Geldbedarf der entstehenden Industrie groß war.4 Sie ging 1919 in der Dresdner Bank auf.5 Ursprünglich kamen die Rosenbuschs aus Pfersee, wo Berthold und Alfons 1851 und 1853 geboren sind und ihr Vater Salomon ebenso Gemeindevorsitzender war wie später in Augsburg.6
Die Bank war in der Heilig-Grab-Gasse 2 zuhause (damals Maximilianstraße A 28), dem heutigen Standesamt.7
Alfred Rosenbusch besuchte das Gymnasium bei Sankt Anna und machte dort 1905 sein Abitur.8 Er studierte in Genf und Heidelberg Volkswirtschaft. 1908 promovierte er mit dem Thema “Die Organisation des Kommunalkredits in der Rheinpfalz“.9 Ab wann er nach seinem Studium in der Privatbank S. Rosenbusch arbeitete, konnte nicht festgestellt werden.
Am 8.9.1919 heiratete er in Nürnberg Hermine Wolfrum, Tochter des Buchhändlers Georg Karl Wolfrum in Germersheim. Die Ehefrau war evangelisch, die Ehe blieb kinderlos.10 Man wohnte bis 1937 in der Werderstraße 10, dann in Göggingen, Römerweg 22.11 Zum 31. Dezember 1937 wurde ihm seine Stelle als Direktor der Dresdner Bank gekündigt, ausschließlich aus „rassischen Gründen“, wie die Bank später bestätigte.12 Enteignungen folgten: ein Jagddrilling, eine goldene Uhrkette, ein goldener Siegelring mit Edelstein und ein Radiogerät mussten abgeliefert werden.13 1939 hatte er eine „Judenvermögensabgabe“ von 8 000 RM zu bezahlen.14 Zwangsarbeit leistete Rosenbusch von 1939 bis 1943 in der Ziegelei Hochfeld.15
Im Juni 1942 konvertierte Alfred Rosenbusch zur evangelischen Kirche.16 Am 20. Februar 1945 bekam er von der Gestapo die Mitteilung seiner bevorstehenden „Internierung“, wie aus einer eidesstattlichen Erklärung seines Freundes Dr. Henle, Arzt am Gögginger Krankenhaus, hervorgeht. Verzweifelt habe man versucht, ein Versteck auf dem Land zu finden, sei dabei aber nicht zum Ziel gekommen. Dr. Henle berichtet, wie er mit dem Freund zusammen einen Plan geschmiedet habe: Dr. Rosenbusch sollte durch Öffnen der Pulsadern einen Selbstmordversuch vortäuschen nach, wie es der Arzt formulierte, eingehender Unterweisung aller Vorsichtsmaßregeln für eine präliminare Blutstillung. Er sollte sich dann in die Behandlung seines ärztlichen Freundes begeben und infolge seines geschwächten Zustands als nicht reisefähig erklärt werden. Es schien zunächst alles durch die tapfere Mithilfe der Frau nach Plan zu laufen. Dr. Rosenbusch kam nach dem „Suizidversuch“ in die Obhut des Freundes im Gögginger Krankenhaus.
Dort schien sich sein Zustand zunächst zu stabilisieren. Er unterhielt sich mit einem Zimmergenossen, einem französischen Arbeiter, über Frankreich und Paris. In den Morgenstunden bemerkte der, dass sein Nachbar nicht mehr atmete. Er war am 21. Februar 1945 gegen 4 Uhr verstorben. Dr. Henle schließt seinen Bericht mit den Worten: „Nach der jahrelangen seelischen Belastung, der ständigen Bedrohung der Gestapo, den schweren und ungewohnten Anstrengungen bei der Suche nach einem sicheren Asyl, endlich auch der Blutverlust und die Aufregungen der Fliegeralarme mag sich die Herzkraft des verfolgten, edlen Mannes erschöpft haben.“17 Sein Tod muss insofern als besonders tragisch angesehen werden, als man annehmen kann, dass der 58-jährige Mann die zwei Monate im Lager Theresienstadt bis zur Befreiung mit großer Wahrscheinlichkeit hätte überleben können.
Gauleiter Wahl schrieb 1943 in einem Bericht an die Gestapo: „Die wenigen noch in den Städten vorhandenen Juden sind nun abgeschoben oder doch wenigstens aus den Städten entfernt. In Augsburg hat sich bei der letzten Maßnahme wieder eine Anzahl von Juden der Wegbeförderung durch Freitod entzogen.“18
Es waren allein in der Bahnhofstraße 18 1/5 (heute C&A) sieben Personen. Eine Frau überlebte und wurde umgehend nach Auschwitz deportiert und ermordet.19
Am 9.3.1945 schrieb Wahl zum Tod von Alfred Rosenbusch: „Am 20.2. verübte der letzte Jude von Göggingen, der frühere Bankdirektor Rosenbusch, durch Öffnen der Pulsadern Selbstmord. Grund: Angeblich Vorladung durch die Gestapo Augsburg zum Arbeitseinsatz.“20
Wahl muss in den letzten Kriegsmonaten das Haus von Dr. Rosenbusch bewohnt haben. Die Angehörigen der Freiheitsaktion, die die Übergabe der Stadt vorbereiteten, berichten übereinstimmend, man habe sich am Abend des 27. April mit Wahl in seiner Villa in Göggingen getroffen. Die Adresse wird mit Römerweg 22 angegeben, die frühere Anschrift Alfred Rosenbuschs.21
Alfred Rosenbuschs Bruder Paul (geb. 1891), Bankdirektor, starb 1940 in einem Internierungslager in Vernet in Frankreich.22
In einem Wiedergutmachungsverfahren in den 1950er Jahren ging es auch um eine Miteigentümerschaft von Dr. Rosenbusch am Anwesen Heilig Grab Gasse 2 in Augsburg. Weitere Teilhaber waren die Israelitische Kultusgemeinde und die Erbengemeinschaft Rosenbusch je zur Hälfte. Die Stadt hatte das historische Gebäude an der Maximilianstraße 1936 erworben und städtische Ämter dort eingerichtet. Die Vertreterin der Stadt vertrat 1950 in dem Rechtsstreit die Auffassung, der Kaufpreis sei angemessen gewesen. Das Landgericht Augsburg stellte demgegenüber fest: Der Verkauf erfolgte unter Druck und zum Einheitswert, der etwa ein Drittel unter dem Verkehrswert gelegen habe. Das Gebäude musste nach dem Urteil rückerstattet werden und wurde von der Stadt erneut gekauft, weil sie das Standesamt dort belassen wollte.23
Hier befindet es sich nach wie vor.
Alfred Hausmann
Archiv der Evang.-luth. Dreifaltigkeitsgemeinde Augsburg Göggingen
Aufzeichnungen von Pfarrer Koller 1942
Bayerisches Hauptstaatsarchiv
Wiedergutmachungs- und Entschädigungsakten
Rosenbusch Alfred LEA 59899 EG
Staatsarchiv Augsburg
Amtsgericht Augsburg
Nachlassakte Rosenbusch Alfred VI 728/46
Stadtarchiv Augsburg
Meldekarten und Familienbögen Rosenbusch Alfred und Rosenbusch Alfons
Adressbücher der Stadt Augsburg Jahrgänge 1888-1943.
https://www.deutsche-biographie.de/pnd116622865.html#indexcontent
https://www.3-faltigkeit.de/gemeindeglied-dr-alfred-rosenbusch
Peter Fassl (Hg.), Ausplünderung der Juden in Schwaben während des Nationalsozialismus und der Kampf um Entschädigung (Irseer Schriften Bd. 14), Konstanz 2020.
Gunther Gottlieb u.a. (Hg.), Geschichte der Stadt Augsburg, Stuttgart 1985.
Karl-Ulrich Gelberg (Hg.), Kriegsende und Neuanfang in Augsburg 1945, Oldenburg 1978.
Gernot Römer (Hg.), „An meine Gemeinde in der Zerstreuung.“ Die Rundbriefe des Augsburger Rabbiners Ernst Jacob 1941–1949 (Material zur Geschichte des Bayerischen Schwaben, Bd. 29), Augsburg 2007.