Oettingen, Schloßbuck 8
Bittenbrunn
Oettingen, Judengasse (heute Ringgasse)
Kreut
Hainsfarth, Jurastraße 28
Deportation
am 13. März 1943
von München-Berg am Laim
nach Auschwitz
Benno Gutmann war Sohn des jüdischen Viehhändlers Julius Gutmann. Dieser war am 20. Juni 1867 in Heidenheim in Mittelfranken geboren worden.1 Im Jahr 1899 heiratete er die spätere Mutter Bennos, Ida Leiter (geb. am 8. März 1876 in Buttenwiesen).2 Am 19. Juli 1900 kam Max zur Welt, er starb vier Monate später am 27. November 1900.3 Benno wurde am 13. März 1903 in der Schloßbuck 8 in Oettingen geboren, seine Schwester Karola am 18. Dezember 1911.4
Die erste Schule, die Benno Gutmann besuchte, war die Volkschule. 1913 wechselte er dann auf das Progymnasium, wo er am 16. September 1913 seinen ersten Schultag hatte. Er musste die Klasse wiederholen und erreichte auch beim zweiten Versuch das Klassenziel nicht. Daraufhin wurde ihm der „Besuch einer höheren Lehranstalt gleicher Gattung untersagt.“5 Nun musste er wieder zurück auf die Volksschule, wo er seine restliche Schulzeit bestritt. Anschließend absolvierte er eine kaufmännische Lehre im Viehhandel der Firma S.D. Zimmer in Fürth. Bis 1928 arbeitete er dort als Verkäufer. Von seiner Mutter Ida Gutmann wurde er dann zurück nach Hause gerufen. Der Grund dafür war das Herzleiden des Vaters Julius Gutmann, der sein Viehgeschäft nicht mehr alleine weiterführen konnte. Nach dessen Tod am 15. Februar 1932 übernahm Benno am 8. März 1932 das seit 1901 bestehende Geschäft als Alleininhaber.6
Ab der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 gingen die Einnahmen zurück. Davor soll es ein „gutgehendes Geschäft“7 gewesen sein, das die Eltern mit ihren Kindern problemlos ernähren konnte. In einem Brief an das Finanzamt Nördlingen vom 10. Januar 1937 schrieb Benno Gutmann: „Seit mehr als drei Monaten haben sich die Marktverhältnisse am Viehmarkt derartig verschlechtert, dass die meisten Geschäfte verlustbringend waren.“8 Schließlich meldete er am 1. Oktober 1938 erzwungenermaßen das Gewerbe ab, da ihm die Gewerbelegitimationskarte entzogen worden war.9
Ab 1939 musste Benno Gutmann den Zweitnamen Israel und sein Mutter Ida Gutmann den Zweitnamen Sara führen.10 Dazu wurden die beiden in Folge der Namensänderungsverordnung vom 17. Oktober 1938 gezwungen, um sie so als Juden erkennbar zu machen.11 Im Zuge der Pogromnacht wurde er am 12. November 1938 in das Konzentrationslager Dachau gebracht. Seine Häftlingsnummer lautete 25373. Als Begründung wurde „Schutzhaft“12 genannt. Diese war eine Haft ohne richterliche Anordnung, die rein auf Basis der Willkür und Prävention vollzogen wurde.13 Am 6. Januar 1939 wurde er wieder entlassen. Danach arbeitete er ab 1939 zuerst auf dem Bauernhof Behringer in Schaffenhausen.14
Ab dem 18. September 1939 musste Benno Gutmann als Zwangsarbeiter nach Neuburg a. d. Donau, um in den Kreidewerken der Fritz Schulz jun. AG zu arbeiten. Dort war er am Burgwaldhof B 33 angemeldet.15 Den Kreidewerken wurden elf oder zwölf weitere Juden aus dem Ries zugewiesen. Dort begegnete er Max Schneider, einem Betriebsingenieur, der seit 1932 dort arbeitete und 1943 Chef der Firma wurde. 1937 war dieser wahrscheinlich in die NSDAP eingetreten, obwohl er vom Nationalsozialismus wohl nicht viel hielt.16 Er sei lediglich daran interessiert gewesen, einen „guten Draht zum mächtigen und gefürchteten Kreisleiter Mündler zu pflegen“17 , um das Wohl der Firma nicht zu gefährden. Viel wichtiger als der Nationalsozialismus sollen Max Schneider aber seine Arbeiter und im Krieg auch Zwangsarbeiter im Kreidewerk gewesen sein.18
Die jüdischen Zwangsarbeiter durften an Wochenenden sowohl in ihre Heimatorte zurückfahren, als auch während ihres Aufenthalts in Neuburg nach ihren Glaubensregeln leben. Die Jüdin Martha Aufhäuser übernahm das Kochen.19
Da die Männer der ungewohnten Arbeit in den Kreidewerken körperlich nicht gewachsen waren, stellte die Ärztin Heidegger ihnen Atteste aus. Alle bis auf vier kehrten ins Ries zurück.20 Benno Gutmann gehörte zu letzteren, die ab dem 25. November 1939 in Bittenbrunn wohnten und arbeiteten. Dieser Trupp wurde von Kriegsgefangenen abgelöst21 und sie baten darum, wieder in den Kreidewerken arbeiten zu dürfen.22 Max Schneider brachte sie bei dem Bauern Ballis in Kreut unter, der Pächter eines Ökonomieguts war, das den Kreidewerken gehörte. Als die Lebensmittelzuweisungen immer geringer wurden, unterstützte dieser die Zwangsarbeiter. Aber die Spitzel der Nationalsozialisten waren überall. Im November 1941 ermittelte die Neuburger Polizei wegen „Betreff: Verkehr mit Juden.“23 Die Untersuchungen verliefen aber im Sand.24
1940 zog Benno Gutmann mit seiner Mutter zur Familie Regensburger in die Judengasse (heute Ringgasse) in Oettingen. Allerdings verbrachte Benno Gutmann, bedingt durch seine Zwangsarbeit, wahrscheinlich die größte Zeit in Neuburg.25

Ende März 1942 drohte vielen Juden die Deportation aus dem bayerischen Raum nach Piaski, unter anderem denen aus dem Kreidewerk. Diese Vier wollte Max Schneider um jeden Preis retten, und so telefonierte er mit dem Landratsamt, dem Arbeitsamt, der Deutschen Arbeitsfront, dem Wirtschaftsministerium und weiteren.26 Doch dies half alles nichts. So fuhr Max Schneider nach München, um dem zuständigen SS-Personal zu erklären, dass es sich bei den Juden um unersetzliche Fachkräfte handle, deren Abzug den kriegswichtigen Betrieb zum Erliegen bringe. Sie wurden zurückgestellt.27 Benno Schweissheimer wollte aber bei seiner Familie sein und wurde mit ihr deportiert.28
Am 1. April 1942 wechselte Benno Gutmann offiziell seinen Wohnsitz von Oettingen nach Hainsfarth in die Jurastraße 28.29
In einem Brief an das Finanzamt Nördlingen stellt Benno Gutmann zweimal einen Antrag auf eine Bescheinigung darüber, dass bei seiner beabsichtigten Auswanderung keine steuerlichen Bedenken bestehen würden. Der erste wurde von der Behörde ignoriert. Beim zweiten vom 3. März 1941 wurde ihm bereits einen Tag später die Bescheinigung ausgestellt. Seine Mutter Ida Gutmann stellte kurz darauf denselben Antrag. Auch ihr wurde die Bescheinigung ausgehändigt. Aus dem Schriftverkehr vom 5. Februar 1941 zwischen dem Finanzamt Nördlingen und der Geheimen Staatspolizei ist zu erkennen, dass das Finanzamt Nördlingen bereits nach dem ersten Gesuch von Benno Gutmann bei der Geheimen Staatspolizei angefragt hatte, ob gegen seine Ausreise politische Bedenken bestehen würde. Seine Schwester Karola war 1938 nach New York ausgewandert.30 Sie hatte ihrem Bruder und ihrer Mutter über das Jewish Transmigration Bureau Geld für die Auswanderungskosten zukommen lassen.31 Warum die Auswanderung nicht realisiert werden konnte, kann nur vermutet werden. Eventuell konnten aufgrund des Ausreiseverbots für Juden ab Oktober 1941 die Pläne nicht mehr umgesetzt werden.32
Im März 1943 konnte Max Schneider die Deportation nicht mehr aufhalten.33
Benno Gutmann wurde am 8. März 1943 mit den anderen nach München gebracht.34 Die Deportation von dort nach Ausschwitz war eigentlich für den 10. März 1943 geplant. Tatsächlich fand sie drei Tage später statt. Dies ist im Begleitschreiben des Oberfinanzpräsidenten Münchens vermerkt. Höchstwahrscheinlich kam es aufgrund des Luftangriffs vom 09./10. März 1943 auf München zu einer Verschiebung der Deportation.35
Benno Gutmann wurde in Auschwitz ermordet.
Seine Mutter Ida Gutmann wurde am 12. August 1942 von München nach Theresienstadt deportiert und von dort am 18. Mai 1944 nach Auschwitz weiterverschleppt und ermordet.36
1957 stellte Karola Gutmann einen Entschädigungsantrag.37 Dieser wurde durch das Bundesgesetz zur Entschädigung für Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung von 1953 ermöglicht. Personen, die während der NS-Zeit verfolgt wurden und einen Schaden dadurch erlitten hatten, konnten eine Entschädigungszahlung bekommen.38 Im entsprechenden Formular gab es mehrere Möglichkeiten, für die man Entschädigung beantragen konnte, so zum Beispiel für Schäden im beruflichen Fortkommen oder für Haft und Tod. Im ersten Antrag kreuzte sie nur Entschädigung für Schäden im beruflichen Fortkommen an. Dafür bekam sie 1.858 DM. Im Jahr 1973 stellte sie einen Antrag für Entschädigung für Haft und Tod. Allerdings war es nach dem 31. Dezember 1969 nicht mehr möglich, diese zu stellen. Sie versuchte es noch mehrere Male ohne Erfolg. 1974 klagte Karola Gutmann auf Entschädigungsanspruch. Die Klage wurde jedoch 1976 abgewiesen.39
Dies ist ein Auszug aus der Biografie, die von Florentin Flaschka, Schüler des Oberstufenjahrgangs 2017/2019 am Maria-Theresia-Gymnasium Augsburg, im Rahmen des W-Seminars „Opfer des Nationalsozialismus im Großraum Augsburg“ im Fach Geschichte erarbeitet wurde.
Bayerisches Hauptstaatsarchiv (BayHStA)
Landesentschädigungsamt (LEA):
– 14910
Heimatmuseum Oettingen
– E-Mail von Petra Ostenrieder am 18.05.2018
Staatsarchiv Augsburg (StAA)
– Steuerakten Rassisch Verfolgter 411, Steuerakte
http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2076/CEM-OET-GRAVELIST.pdf
https://www.bpb.de/politik/hintergrund-aktuell/235829/1941-ausreiseverbot-fuer-juden
https://www.lbi.org/1938projekt/de/detail/sara-und-israel/.
Kai Cornelius, Vom spurlosen Verschwindenlassen zur Benachrichtigungspflicht bei Festnahmen, Berlin 2006.
Gernot Römer, Es gibt immer zwei Möglichkeiten. Mitkämpfer, Mitläufer und Gegner Hitlers am Beispiel Schwabens, Augsburg 2000.